Heute möchte ich gerne, passend zur "Jahreswoche", noch einen Teil aus meinem Buch mit euch teilen. Wie ich schon im blog "sechs Jahre" schrieb, sind es diese Woche... ja genau.... sieben Jahre seit meinem ersten Schub. Was wieder einmal anschaulich beweist, ich kann nicht zählen. Aber erzählen, das kann ich ganz gut. Und genau aus diesem Grund könnt ihr hier erfahren, wie das ganze damals abgelaufen ist. Viel Vergnügen beim Lesen! Wenn ihr möchtet, könnt ihr mir gerne in den Kommentaren schreiben, wie euch dieser Teil des Buches gefällt, ich würde mich freuen!
August 2012
Der Volksmund sagt "die Wege des Herrn sind unergründlich" - und jeder weiß, wie verworren, kurvenreich, up and down und kreuz und quer dieser Weg sein kann. Und doch komme ich nicht umhin, mich zu fragen, was Gott und ich geraucht haben, als wir meinen geplant haben....
Alles begann an einem relativ warmen, sonnigen August Sonntag im wunderschönen Melbourne. Mitten im Winter lag so ziemlich jeder mit der Grippe darnieder, und auch ich fühlte mich nach einer Woche rotzen, husten und fiebern endlich wieder einen Hauch besser. Doch just an diesem friedlichen Tag hat er begonnen, mein persönlicher Höllenritt. Es fing ganz harmlos und unspektakulär an... Ich konnte meinen kleinen zeh nicht mehr spüren, habe mir dabei aber nicht gedacht. Passiert halt mal geht schon wieder weg.
Ging es nicht. Im Laufe des Montags breitete sich das Gefühl, oder besser gesagt nicht - Gefühl, auf den ganzen linken Fuß aus und ich konnte beim Gehen den Boden nicht mehr unter meinen Füßen spüren. Das kam mir seltsam vor und mein Verdacht viel auf einen eingeklemmten Nerv. Ich habe damals als Konditorin gearbeitet und ich dachte, das könnte durch schweres heben und körperliche Arbeit schon mal passieren. Also vereinbarte ich einen Termin mit meinem Physiotherapeuten, der glücklicherweise auch prompt einen Termin frei hatte.
Er konnte das Problem leider nicht lokalisieren und riet mir, die Sache im Auge zu behalten und am Freitag Nachmittag noch einmal zu ihm zu kommen. Bis zu meinem Termin am Freitag hatte sich das Taubheitsgefühl bis unter meine linke Brust ausgebreitet. Ich hatte keinerlei Gefühl in diesem Bereich meines Körpers und bei jedem Schritt fühlte es sich an, als würde der linke Fuß in ein Loch treten - den Boden konnte ich ja nicht mehr fühlen.
Mein Physio war, gelinde gesagt, geschockt und auch ich glaubte mittlerweile nicht mehr an einen eingeklemmten Nerv...
Er riet mir noch am selben Abend die Notaufnahme des Box Hill Hospital aufzusuchen, was ich natürlich auch tat. Ich schwang mich also erst mal wieder auf mein Motorrad und fuhr nach Hause um dort auf meinen Mann, Gary, zu warten, denn alleine war ich nicht in der Lage mich dieser Herausforderung zu stellen. Ich warnte ihn vor und als er von der Arbeit kam fuhren wir direkt ins Krankenhaus.
Es war ein ziemlich ruhiger Freitagabend im emergency room und nach "nur" ca. zwei Stunden warten wurde ich auch schon untersucht. die ganze Prozedur zog sich wie ein Kaugummi und ich wurde immer nervöser. Trotz allen Unbehagens konnten wir natürlich nicht weiter tun als uns in Geduld zu üben, zu warten und auf das Beste zu hoffen.
Kurz vor Mitternacht und nach ca. 6 Stunden Nerven zermürbender Warterei dann endlich das vorläufige Ergebnis: Entweder eine bakterielle Infektion, oder eine Viruserkrankung, ein Gehirntumor oder Multiple Sklerose.
Und dann. Stille. Komplette Fassungslosigkeit. Unglauben. Und dieser Kampf zwischen Verzweiflung und Hoffnung tief in mir drin. man denkt, man ist bei der versteckten Kamera und gleich wird man erlöst. Doch der Kameramann kam nicht....
Die Ärzte wollten mich für die Nacht einweisen und am Wochenende MRT Scans und weitere Tests machen, doch ich konnte nicht bleiben. Ich war noch nie in meinem Leben im Krankenhaus gewesen und war total überfordert, verängstigt und wollte einfach nur nach Hause in meine gewohnte Umgebung. Selbst die Warnung, dass ich als "out patient" bis zu sechs Wochen auf einen MRT Termin warten müsse hielt mich nicht davon ab das Krankenhaus zu verlassen. Ich war fertig mit den Nerven. An den Rest der Nacht kann ich mich nicht mehr erinnern, und das ist wohl auch gut so!
Als ich am nächsten Morgen aufstand war auch die Kriegerin in mir schon wieder auf vollen Touren und ich war bereit, die nächsten Schritte zu gehen. Ich stellte mich auf wochenlanges warten ein und wählte die Nummer des Box Hill Hospital um einen Termin für den benötigten MRT zu bekommen. Und da das Schicksal wohl ganz genau wusste, wie verzweifelt ich war, und wie dringend ich einen zeitnahen Termin brauchte, war es an diesem Morgen sehr gnädig mit mir. Die Stimme am anderen Ende der Leitung teilte mir mit, dass es am nächsten Tag, Sonntag, eine Terminabsage gegeben habe. Ob ich wohl Zeit hätte diesen Termin wahr zu nehmen?
Hell yeah!!!!!
Das war schon mal ein großer Teilerfolg, doch es musste mehr getan werden. Der MRT würde zwar hoffentlich zeigen, warum es mir so mies ging, doch meine Symptome konnte er nicht beseitigen. Also wieder in die Notaufnahme, stundenlanges warten, Untersuchungen bis zum umfallen und letztlich die Einweisung auf die Neurologie um drei Tage lang für wer weiß wie viele Stunden am Tropf zu hängen. Kortison. Intravenös. Nicht schön.... Das Problem war nur - die neurologische Station war komplett voll und man konnte kein Bett mehr für mich einschieben, keine Chance .Deshalb wurde ich gefragt, ob ich damit einverstanden wäre, auf die Kinderstation zu gehen? Die wäre zwar gut gesichert und man müsse sich bei jedem "Freigang" an- und abmelden, aber sie wäre schön bunt und freundlich eingerichtet und man bekäme so viel Saft und Pudding wie man wollte. Wie kann man da widerstehen? Also bezog ich mit 29 Jahren mein wunderbar großes, schönes und buntes Einzelzimmer mit Balkon auf der Kinderstation. Ich war so erleichtert, dass mein erster Krankenhausaufenthalt so wunderbar verlief....
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